Über Erfolg Verlässlichkeit und Disziplin

Marshmallow
Über Erfolg, Verlässlichkeit und Disziplin.

Ich hatte im Nachgang zu meinem letzten Artikel ein spannendes Gespräch mit einer Kollegin. Sie meinte, sie wäre nicht losgefahren und hätte niemals 187,- Mark ausgegeben, nur um diesen Vertrag zu erfüllen, der ja ansonsten keinen produktiven Sinn hatte. Aber vielleicht wäre das auch ihr Problem. Dass sie sich ihre Spontanität und Flexibilität lieber bewahre. Und ich glaube, dass da auf jeden Fall was dran ist. Ich denke, dass sich Spontanität und Flexibilität und Verlässlichkeit und Disziplin nicht unbedingt ausschließen. Dass es aber auf jeden Fall Auswirkungen hat, wenn ich die Flexibilität zugunsten der Verlässlichkeit favorisiere und damit letztlich echtes Commitment meide.

Unlust und Unverbindlichkeit

Hinzu kommt nach meiner Erfahrung dann noch, dass wir, je mehr wir uns mit uns selbst beschäftigen, auch lernen, zu spüren, wie es uns gerade geht und ob sich etwas stimmig anfühlt. Und wenn ich dann aus einer Unlust ableite, dass es sich nicht stimmig anfühlt, das jetzt zu tun, bin ich sehr schnell in einer großen Unverbindlichkeit.

Ich glaube fest daran, dass zum Erfolg Verlässlichkeit gehört. Ich empfinde unsere Zeit als sehr hedonistisch, sehr unmittelbar von Lust oder Unlust gesteuert. Nie zuvor konnten wir so spontan entscheiden, ob wir eine Verabredung wahrnehmen oder doch noch schnell absagen. Viele machen sich auch gar nicht mehr die Mühe abzusagen. Vor ein paar Wochen habe ich bei einer Kollegin gelesen, dass sie im Zuge eines Umzugs gut erhaltene Möbel verschenken wollte, für den Abholtermin sogar eigene Vorhaben abgesagt oder verschoben hat und dann sind die Leute, die sich die Möbel holen wollten, einfach nicht erschienen.

Der Schmerz der Disziplin oder der Schmerz des Bedauerns

Gerade als ich angefangen hatte, diese Gedanken niederzuschreiben, begegnete mir im Newsletter von Zeitzuleben dann dieses Zitat.

Du hast im Leben die Wahl zwischen zwei Schmerzen: dem Schmerz der Disziplin oder dem Schmerz der Enttäuschung und des Bedauerns.“ – Jim Rohn

Das Marshmallow-Experiment

Vielleicht kennst du das berühmte Marshmallow-Experiment? Anfang der 70er Jahre wurde mit ca. 4-jährigen Kindern ein Experiment gemacht. Sie wurden allein in einem Raum sitzen gelassen, vor sich einen Teller mit einem lecker duftenden Marshmallow (ich nehme zumindest an, dass der Duft für 4-jährige attraktiv ist). Der Versuchsleiter teilte dem jeweiligen Kind mit, dass er nun für eine gewisse Zeit den Raum verlasse. Mit der Glocke, die er neben den Teller stellte, könne das Kind ihn jederzeit rufen. In dem Fall erhalte es einen Marshmallow. Wenn es aber einfach abwarte, bis er zurückkäme, erhalte es als Belohnung zwei Marshmallows. In Nachbeobachtungsstudien in den 80er Jahren fand Walter Mischel, der Versuchsleiter heraus, dass je länger die Kinder im Experiment warten konnten, umso kompetenter wurden sie als Heranwachsende in schulischen und sozialen Bereichen beschrieben und desto besser konnten sie mit Frustration und Stress umgehen.

Hier ein Film, der die Studie nachstellt und wirklich süße Bilder zeigt.

Spontane Impulse

Ich sehe für mich einen deutlichen Zusammenhang zwischen dem Experiment, mal eine Zeitlang etwas wirklich zuverlässig durchzuhalten und dem Experiment mit den Kindern. In beiden Fällen geht es darum, durchzuhalten für ein höheres Ziel: für die Kinder um den zweiten Marshmallow, für mich im Experiment, zuverlässig eine Zeitlang ein Vorhaben umzusetzen, darum, Vertrauen zu mir selbst aufzubauen.

Und in beiden Fällen geht es darum, spontanen Impulsen – jetzt sofort bei den Kindern, ach heute lieber nicht, beim Experiment von letzter Woche – zu widerstehen. D.h. beide Male geht es darum, den langfristigen Erfolg über den kurzfristigen Lustgewinn oder Vermeidungsimpuls zu stellen.

Eine Grunderkenntnis aus der Motivationsforschung ist die: kurzfristiger Lustgewinn schlägt langfristige mögliche Erfolge. Immer! Es sei denn, ich habe Strategien entwickelt, um mit kurzfristigen Impulsen geschickt umzugehen – und mir dadurch langfristige Erfolge zu sichern. Und auf dem Weg dahin, kann so eine kleine Übung enormen Auftrieb geben.

Koste es, was es wolle

Dabei geht es mir nicht darum, verbissen an allem festzuhalten. Ich glaube ja auch an den Satz: „Wenn das eine nicht funktioniert, mach was anderes.“ Und ich bin sehr dafür, erst einmal nach innen zu spüren, bevor ich mich für ein bestimmtes Vorhaben entscheide: schaffe ich das, ist das realistisch, überfordere ich mich damit auch nicht? Aber dann zu dem stehen, was ich mir vorgenommen habe. Gegebenenfalls eben koste es, was es wolle. Weil ich damit die Erfahrung mache, dass ich mich auf den wichtigsten Menschen in meinem Leben verlassen kann – auf mich selbst. Ich habe mir ja vorgenommen, täglich mit der Faszienrolle zu üben. Ich weiß noch nicht sicher, ob es den gewünschten Effekt tatsächlich hat. Und es ist kein angenehmes Trainieren, es tut eher ziemlich weh. Aber ich werde nie herausfinden, ob es was bringt, wenn ich nicht mal eine Zeitlang durchhalte. Und so raffe ich mich derzeit manchmal abends kurz vorm Schlafengehen noch auf, auch wenn ich keine Lust habe.

Was denkst du? Wie geht es dir mit dem Thema Verlässlichkeit und Disziplin? Leuchtet dir ein, dass du so Selbstvertrauen aufbaust?

 

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10 Comments

  1. mail@ander-seits.de 09/06/2016at8:32

    Wie heißt es so schön … die Entscheidung für etwas, beinhaltet auch die Entscheidung gegen etwas anderes …

    Und so geht es vielleicht bei solchen Entscheidungen im Kern darum, seine individuelle und genau in diesem Zeitpunkt passende Balance auszuloten und danach zu handeln. Und sie zu genießen.

    Was nicht heißen muss, dass diese Balance in einer Stunde, einer Woche oder einem Jahr noch passend und ausbalanciert ist. Ich darf jederzeit neu entscheiden! Auch in Punkto Spontanität, Flexibilität, Verlässlichkeit und Disziplin.

    Da fällt mir spontan das Werte- und Entwicklungsquadrat von Schulz von Thun ein. Es besagt im Kern, dass „… jeder Wert seine volle Wirkung erst in einer ausgehaltenen Spannung zu einem positiven Gegenwert (Schwestertugend) entfalten kann …“. Das Beispiel dazu lautet, dass Großzügigkeit ohne Sparsamkeit in Verschwendungssucht ausartet, oder umgekehrt in Verschwendungssucht. Oder – als mein persönlicher Extrakt – “die richtige Mischung macht den Erfolg bzw. die Zufriedenheit aus …”

    Und – um auf die Eingangsfrage zurück zu kommen – JA, das leuchtet mir ein. Wenn die individuelle Dosis passt!

    Lieben Gruß nach Berlin …

    Reply
    1. mail@ander-seits.de 09/06/2016at8:33

      Das zweite “Verschwendungssucht” bitte durch “Geiz” ersetzen …

      Reply
  2. Benutzer-Avatar Ingrid Huttary 09/06/2016at9:17

    Lieber Andreas, da bin ich ganz bei dir. Die Dosis macht das Gift. Liebe Grüße

    Reply
    1. mail@ander-seits.de 09/06/2016at19:31

      Das nenn’ ich mal prägnant und auf den Punkt! 🙂

      Reply
      1. Benutzer-Avatar Ingrid Huttary 09/06/2016at20:42

        Danke. Stammt nicht von mir, sondern von Paracelsus, wenn ich recht informiert bin. 😉

        Reply
  3. Merve 10/06/2016at12:34

    Liebe Ingrid,

    DANKE! Die für mich wichtigste Info in diesem Artikel ist die Erkenntnis der Motivationspsychologie, dass kurzfristiger Lustgewinn IMMER die Aussicht auf langfristige Erfolge schlägt.
    Dazu das Zitat von Jim Rohn, dass es immer einen Schmerz gibt.

    Durch dieses Wissen kann ich Unlust ganz anders einordnen. Wie du sagst, je mehr wir in uns reinhören lernen…

    Die Geschichte mit den nicht abgeholten Möbeln ist echt dreist. Ich weiß, dass mir Zuverlässigkeit gegenüber anderen sehr wichtig ist. Bei so einem Geschenk hätte ich den Termin eingehalten! Zumindest absagen sollte drin sein.

    Wozu dein Artikel letzte Woche mich noch angeregt hat, ist, mal auf die “haben-Seite” zu schauen: in welchen Fällen kann ich mich denn auf mich verlassen?! Ich nehme Geld mit, wenn ich zur Bahn oder einkaufen gehe. Ich nehme meinen Schlüssel mit, wenn ich die Wohnung verlasse (erst ein Mal in 35 Jahren habe ich mich ausgesperrt – und der Ersatzschlüssel war zum Glück nur 1km entfernt). Wenn ich wegfahre, habe ich mich vorher informiert, wo ich die Zieladresse finde und wann welcher Bus oder welche Bahn wo fährt. usw. usf. Es gibt viele Momente, in denen ich mich auf mich verlassen kann. Zum Beispiel auch darauf, dass ich Situationen meistern kann, wenn sie mal nicht so laufen, wie ich es geplant oder gewünscht habe. Mir das bewusst zu machen, tut auch sehr gut!

    Liebe Grüße
    Merve

    Reply
    1. Benutzer-Avatar Ingrid Huttary 10/06/2016at13:57

      Liebe Merve,

      cool, dass du was für dich rausziehst. Und die Idee, unbedingt auch auf die Haben-Seite zu gucken, finde ich klasse. Ja, nur weil ich mich nicht immer diszipliniert verhalte, heißt das ja nicht, dass ich mich nie auf mich verlassen kann. Wie gesagt: die Dosis macht das Gift.

      Liebe Grüße Ingrid

      Reply
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