Es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit

Kind mit Puppe - es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit
Es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit

Hattest du eine glückliche Kindheit? Ich finde die Frage nicht so leicht zu beantworten, denn es gab in meiner Kindheit sicher viele glückliche Momente, aber auch einiges, was nicht so ganz rund gelaufen ist. Deswegen finde ich die Frage nach der gesamten Kindheit viel zu pauschal.

Auch in meinem letzten Kurs war die Kindheit Thema. Vor ein paar Tagen ist hier auf Kreta meine erste NLP advanced Woche zuende gegangen und ich habe die ersten NLP Practitioner hier auf Kreta zertifiziert. Gegen Ende diese intensiven Woche stand eine meiner Lieblingsinterventionen aus dem NLP, der so genannte Change History, auf dem Programm. Dabei geht es darum, die eigene Erinnerung neu zu erschaffen, um im Heute hinderliche Gefühle zu transformieren.

Wir reagieren nicht auf das, was war

Wieder einmal ist auch bei diesem Prozess die Basis, dass wir nicht auf das reagieren, was ist oder war, sondern auf das, was wir daraus gemacht haben. Vielleicht denkt der eine oder andere jetzt, aber das ist doch Blödsinn. Ich weiß doch genau, wie es gewesen ist und da hilft auch kein „schönfärben“.

Wir konstruieren unsere Vergangenheit beständig neu

Unser Gehirn speichert jedoch nicht eins zu eins ab, was war. Sondern wir konstruieren in jedem Moment unsere Vergangenheit neu. Dazu gibt es inzwischen solide Forschungsergebnisse, z.B. von Professor Elizabeth Loftus von der der University of California in Irvine. Von ihr stammt die Aussage: “Unser Gedächtnis wird jeden Tag neu geboren”.

Ein Schuss und viele falsche Details

Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts hatte Professor Franz von Liszt mit seinen Studenten in einer Übung eine heftige Auseinandersetzung inszeniert, die mit einem Schuss endete. Keiner der anwesenden Studenten konnte sich in der Zeugenbefragung an alle Details des Vorfalls erinnern. Es fehlten allerdings nicht nur Informationen, in den Befragungen tauchten auch Ereignisse und Dialoge auf, die gar nicht stattgefunden hatten.

Falsche rote Ampeln

Prof. Loftus hat in den 70er Jahren dann angefangen, Studienteilnehmern Simulationen von Verkehrsunfällen vorzuspielen und anschließend durch Suggestionen Verfälschungen der Erinnerung zu produzieren. Es gelang ihr überraschend gut, nicht vorhandene Verkehrsschilder oder rote Ampeln einzubauen. Jeder Mensch hat Lücken in den persönlichen Erinnerungen, und das Gehirn ist durchaus willens, diese mit glaubhaften Inhalten zu schließen.

Der nächste Schritt in der Forschung liefert den Beleg für das, was wir im NLP ebenfalls seit den 70er Jahren tun. Wenn sich Ampeln einbauen lassen, lassen sich dann nicht auch komplette Lebensereignisse einbauen? Solche, die nie stattgefunden haben?

Bugs Bunny im Disneyland

Wieder waren die diversen Forschungsteams überraschend erfolgreich. Sie suggerierten Begegnungen mit Bugs Bunny im Disneyland (wo er gar nicht hingehört, weil er eine Warner Brothers Figur ist) oder die Erfahrung, als Kind im Einkaufszentrum verloren gegangen zu sein oder auf einer Hochzeit der Braut das Kleid bekleckert zu haben. In wiederholten Befragungen entwickelten immerhin 25 bis 30 Prozent der Befragten Pseudoerinnerungen an die nie stattgefundenen Ereignisse.

Eine erfundene Entführung

Der Genfer Pionier der Entwicklungspsychologie Jean Piaget kannte solche Pseudoerinnerungen aus eigener Erfahrung. Lange Zeit glaubte er fest daran, als Kleinkind auf einem Spaziergang mit seinem Kindermädchen beinahe von einem fremden Mann entführt worden zu sein.

Er meinte, sich genau zu erinnern: an den Mann, die Umgebung und an das couragierte Einschreiten des Kindermädchens. Umso überraschter war er, als er erfuhr, dass das alles nie passiert war. Jahre später gab das Kindermädchen zu, die Episode erfunden zu haben, als es sich eines Tages sehr bei Piagets Eltern verspätet hatte.

Die Geschichten der Eltern

Forscher gehen inzwischen davon aus, dass vor allem frühe Kindheitserinnerungen fast immer in engem Austausch mit den Eltern entstehen. So konnten mehrere Studien zeigen, dass Kinder, deren Eltern regelmäßig mit ihnen über Erlebtes und ihre Gefühle dabei gesprochen haben, später detailliertere, schlüssigere und stärker zusammenhängende Erinnerungen an ihre Vergangenheit haben.

Insofern sind Erinnerungen nur sehr bedingt Ergebnisse von tatsächlich Erlebtem. Sie sind vielmehr in erster Linie das Ergebnis von Geschichten, die uns erzählt wurden oder die wir uns selbst erzählen. Und so entsteht die mehr oder minder glückliche Kindheit oft auf der Basis von Wiederholungen, nicht auf der Basis von real Erlebtem.

Change History

Und genau hier setzt die NLP-Intervention „Change History“ an. Wir nehmen ein altbekanntes, bis in die Gegenwart wirkendes hinderliches Gefühl. Damit wandern wir in der Zeit zurück durch verschiedene Etappen der eigenen erinnerten Geschichte, in denen dieses Gefühl immer wieder auftaucht, bis zum frühesten erinnerten Ereignis. Dabei ist es nach meiner Erfahrung unerheblich, ob dieses erinnerte Ereignis tatsächlich die auslösende Situation war. Wenn Erinnerungen sowieso unzuverlässig sind, wer bitte will das dann so genau wissen?

Diese erinnerte Situation reichern wir mit ressourcevollen Gefühlen an, so lange, bis das hinderliche Gefühl einem positiv erlebten Zustand gewichen ist. Das heißt, wir erzählen uns eine neue Geschichte und verankern sie, in dem wir die dazugehörigen Gefühle erleben.

Transformierte Gefühle

Und dann wandern wir mit diesem neuen positiv angereicherten Zustand bis in die Gegenwart. Ich habe in meinen NLP Ausbildungen und in meinen Coachings schon oft etliche Verwandlungen erleben dürfen auf diesem Weg.  Zum Beispiel ging einemal eine mit sich selbst kämpfende, grummelnde Teilnehmerin ganz gelöst und entspannt aus der Übung hervor und erlebte sich selbst anschließend überrascht als nachhaltig „grummelfrei“. Die nächste, die noch aus Schulzeiten stammende Ängste thematisierte, konnte noch am selben Abend die Verwandlung testen. Sie war auf einer Veranstaltung, auf der sie kaum ein Wort verstand. Doch statt sich – wie früher – klein und dumm zu fühlen, blieb sie gelassen und hatte sogar die Souveränität, eine interessierte Frage zu stellen.

Change History statt Pille

Bei meinen Recherchen zu diesem Artikel bin ich darauf gestoßen, dass einige Wissenschaftler an einer Pille forschen, die den Schmerz aus Erinnerungen nimmt. Im Mausversuch klappt das bereits. Auch beim Menschen gibt es erste Erfolge. Mir persönlich ist eine NLP-Sitzung lieber als eine chemische Pille. Wobei es in der Forschung natürlich um besonders traumatische Erinnerungen geht. In unserem NLP-Practitioner bearbeiten wir eher „normalneurotische“ Belastungen.

Da ich in diesem Artikel einige wesentliche Details der Übung weggelassen habe, rate ich übrigens dringend davon ab, nur auf Basis dieses Artikels in den Selbstversuch zu gehen.

Jetzt würde mich sehr interessieren: Welche Erfahrungen hast du selbst schon gemacht mit verfälschten Erinnerungen?

Die Autorin: Ingrid Huttary, Mindset-Expertin für souveräne Führung und gesunde Lebensbalance

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2 Comments

  1. Edith Schmidt 05/10/2023at11:30

    Liebe Ingrid,
    ich habe mehrere „Change History“-Prozesse in einer NLP-Therapie erlebt. Ich kann nur sagen, dass dieser Prozess nicht ohne Auswirkungen ist. Zum Einen hatte ich das Gefühl, mir wird nicht geglaubt. Ich habe einige Schrecklichkeiten in meiner Kindheit erlebt: eine depressive Mutter, einen jähzornigen Vater und einen sexuellen Missbrauch eines Nachbarns. Dazu eine vom Krieg traumatisierte Familie, die nicht über die Ereignisse und ihre Gefühle sprach. Alles habe ich nicht einmal sondern mehrfach, bzw. immer wieder erlebt.
    Zum Anderen: wenn dann jemand kommt, und meine Erlebnisse für konstruiert hält, dann tut das nur weh und bedroht meine Identität.
    Ich bin heute so weit, diesen Ereignissen keine Macht mehr über mich zu geben, doch ich weiß, sie haben so oder ein klein wenig anders stattgefunden. Sie haben Einfluss auf meine Persönlichkeit und Identität gehabt und dazu stehe ich. Sie haben mich nicht zerstört, sondern eher gestärkt und mich Resilienz gelehrt.
    Hildegard von Bingen empfiehlt Wunden in Perlen zu verwandeln. Nach Dilts sind auch diese Ereignisse Geschenke, deren wir verlustig gehen, wenn sie nur in eine „glückliche Kindheit“ gewandelt werden. Damit geht leider menschliche Tiefe verloren, wie leider so oft im NLP der wievielten Generation auch immer. Erfolg ersetzt nicht die Weisheit der Pioniere, von denen ich viel gelernt habe.
    Sicherlich bist du noch eine NLPlerin, die abgesehen von „Change History“ weitblickendere Werte vertritt, und ich lese sehr gerne deine Newsletter. Gut fand ich auch den Hinweis, dieses Format nicht einfach entsprechend der Ausführungen zu verwenden. Es ist je nach Erleben ein tiefer Eingriff in die Persönlichkeit und Identität.
    Ich wünsche dir alles Gute und danke dir für deine Newsletter.
    Mit freundlichen Grüßen Edith Schmidt, Jahrgang 1947

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  2. Ingrid 07/10/2023at9:29

    Liebe Edith,
    ich habe nie gemeint, dass du das, was du erinnerst, nicht erlebt hast. Das wäre ein Missverständnis. Es ist nur häufig so, dass wir in uns den Schmerz immer wieder erzeugen, wenn wir die Erinnerung hervorrufen. Und deswegen finde ich den Change History sehr heilsam, weil er uns die Möglichkeit eröffnet, zu erspüren, was uns damals geholfen hätte und mit den gefundenen Ressourcen die Erinnerung dann so zu transformieren, dass der frühere Schmerz uns heute nicht mehr einschränkt. In meinen Ausbildungen hat noch nie jemand den Eindruck gewonnen, ihm oder ihr würde nicht geglaubt. Das würde meinem ethischen Anspruch widersprechen. Aber gerade in der Ausbildung, auf die ich mich eingangs beziehe, hat z.B. dieser Prozess dazu geführt, dass eine Teilnehmerin spontan mal wieder ihre Mutter besucht hat, weil in ihr ein Versöhnungsprozess stattgefunden hat. Vielleicht ist der Change History für deine traumatischen Erfahrungen nicht der passende Prozess. Ich mache jedoch immer wieder sehr gute Erfahrungen damit. Alles Liebe Ingrid

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