So viele Seelen ach in meiner Brust
Viele Menschen kämpfen damit, am liebsten alle Bedürfnisse aller Beteiligten unter einen Hut zu bringen. Vielleicht erinnerst du dich an meinen Artikel zum Everybody’s Darling Syndrom. Heute geht es mir um die innere Zerrissenheit. An anderer Stelle habe ich dazu geschrieben, dass jede Entscheidung das Ergebnis eines Preisvergleichs ist. Dieser Preisvergleich läuft allerdings zumeist nicht bewusst ab. Ich entscheide mich für etwas oder gegen etwas – oder aber ich komme irgendwie zu keiner Entscheidung und lande in einer Art Erstarrung. Weil ich nicht so recht weiß, was ich will, weil zu viele sich widersprechende Seiten in mir gleichzeitig in verschiedene Richtungen zerren, weil mir keine der Alternativen, die ich im Moment wahrnehme, attraktiv genug erscheint.
Wenn es außen wie innen zerrt
Ob im Urlaub oder an Weihnachten. Immer mal wieder erleben wir, wie es sich anfühlen kann, wenn nicht nur zwei Seelen ach in meiner Brust in verschieden Richtungen zerren, sondern viele – im Außen wie im Innen. So ging es mir auch vor einiger Zeit im Urlaub:
- Die verständnisvolle Mutter in mir, wollte die Kinder verstehen, Rücksicht auf sie nehmen und für ihre Bedürfnisse da sein.
- Die Ehefrau in mir wollte gern auch auf die Wünsche und Bedürfnisse des Mannes eingehen.
- Die Unternehmerin in mir, wäre am liebsten nach Hause gefahren und hätte am heimischen Schreibtisch in Ruhe gearbeitet.
- Die Leseratte in mir hätte sich am liebsten einfach in ihr Buch vertieft.
- Das trotzige Kind in mir hätte am liebsten geschrien, ihr könnt mich alle mal. …
Ausbruch oder Erstarrung
Wenn zu viele widerstrebende äußere sowie innere Parteien am Werk sind, führt das nach meiner Erfahrung zu plötzlichen Ausbrüchen, weil zu lange der dämpfende Deckel draufgehalten wurde oder zu einer Erstarrung – ich kriege die verschiedenen Wünsche und Bedürfnisse eh nicht unter einen Hut, ich bin schon mit dem inneren Kampf gut ausgelastet und so kommt im Außen nur noch große Trägheit und Lustlosigkeit heraus. Beides löst in der Regel natürlich mitnichten das Problem. Emotionale Ausbrüche führen höchst selten dazu, dass das Umfeld mit großem Verständnis reagiert. Und Trägheit führt noch viel seltener zu Zufriedenheit. Weil sie eben nicht als genüssliches Loslassen erlebt wird, wenn sie das Ergebnis von zu vielen widersprüchlichen Wünschen ist.
Nur der Teil eines Traums kann gelebt werden
Wie im klassischen Zeitmanagement hilft im Grunde nur – Prioritäten setzen. Wahrnehmen, hinspüren, was jeweils dahinter steckt und dann handeln, in dem sicheren Wissen dass ich sowieso nie allen Bedürfnissen gerecht werden kann – nicht meinen eigenen und nicht denen meines Umfeldes. Ich kann nur Näherungswerte erreichen und diese am besten, wenn ich möglichst gut aus meiner eigenen Mitte heraus agiere. Eine Freundin meiner Schwester bringt es in einem Spruch auf den Punkt: „Nur der Teil eines Traums kann gelebt werden.“ Als ich diesen Satz zum ersten Mal hörte, regte sich massiv Widerstand in mir. Ich würde gern den ganzen Traum leben. Inzwischen jedoch finde ich, dass da sehr viel Weisheit drin steckt. Es ist die Einladung, anzunehmen, dass eben nicht alle Bedürfnisse, alle Wünsche und alle Beteiligten unter einen Hut zu bringen sind. Und damit auch die Einladung, zu akzeptieren, dass es illusorisch ist, allem und jedem gerecht werden zu können.
Wie ist das bei dir? Kennst du das Problem? Wie gehst du damit um?
Dieser Beitrag ist auch im Magazin von The-Coach.Net erschienen: https://the-coach.net
Die Autorin: Ingrid Huttary, Coach für Selbstwirksamkeit und Lebensfreude
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Liebe Ingrid, ich freue mich, wieder von Dir zu lesen und mache zum zweiten Mal eine Ausnahme von der Regel, nie zu kommetieren.
Die Seelen in der Brust, die Träume, die Sehn-Süchte, die Wünsche, die Bedürfnisse…bei diesen Begriffen ist auch schon aufzuräumen.
Ich bin der Meinung, dass hinter der Devise “Lebe Deinen Traum” ein großer Irrtum bzw. ein großer Betrug steht. Vollständig muss das heißen: Lebe Deinen Traum – schlaf weiter. Da gehören Träume hin – und ich träume gerne, oft zusammen mit meiner Frau. Und dann lachen wir und es ist gut. Träumen heißt doch, sich die Erfüllung von etwas vorzustellen.
Damit ist auch die Vorstellung, nur Teile von Träumen leben zu können, irrtümlich. Was wohl gemeint ist, ist etwas ganz anderes: Man kann nicht alle Träume in Ziele transformieren. Und diese Transformation in Ziele und dann das Dranbleiben – Dein Thema – ist etwas ganz anderes als “den Traum leben”. Für Erfüllung im Sinne von Zielerreichung ist Träumen, nämlich Imaginieren der Zielerreichung, durchaus abträglich.
Aber es ist natürlich möglich, zu träumen, dass wir alles “unter einen Hut bringen” können: Der Traum, allen gerecht werden zu können. Kann man doch problemlos träumen. Aber die Transformation in ein Ziel dürfte scheitern.
Die Imagination der harten Arbeit an einem großen Ziel , der Eventualitäten, des Risikos usw., das ist ja nicht Träumen, das nennt man Planen. Und man kann auch planen (und nicht davon träumen), verschiedene Ziele gleichzeitig zu erreichen, die “Seelen in der Brust” zu einigen, der Hut zu sein, unter dem alles zusammenkommt. Ob der Plan gelingt, das Ziel erreicht wird, ist eine andere Sache.
Also die Einladung, von der Du oben sprichst, sollte nicht eine sein, das Träumen einzuschränken, die Hoffnung aufzugeben. Sondern eine Einladung, das Träumen zu beenden und das Planen anzufangen. Dann sehen wir besser, was wir unter einen Hut bekommen, wem wir gerecht werden können. Und sehen die Arbeit, die vor uns liegt, um das zu erreichen.
Aber vielleicht ist es ja sogar das, worauf auch Du hinauswolltest (?).
Liebe Grüße nach Berlin
Olaf
Lieber Olaf,
wieder einmal zeigt sich, dank deiner Ausführungen, dass wir Menschen Wörtern sehr unterschiedliche Bedeutung beimessen. Ich lese in dem Spruch: „Nur der Teil eines Traums kann gelebt werden“, das Wort „Traum“ als Überbegriff für die Sammlung aller Wünsche. Ich kann nachvollziehen, dass du Planen als Begriff für präziser hältst als Träumen. Mir geht es nicht darum, das Träumen einzuschränken, sondern darum, zu akzeptieren, dass alles gleichzeitig zu erfüllen, nicht geht. Und ja, da es mir ja immer wieder darum geht, ins Handeln zu kommen, gehe ich mit dir mit, dass der Weg aus dem Dilemma, davon zu träumen, alles gleichzeitig erreichen zu wollen, über die Planung führt: Was lässt sich wie verbinden, was geht und was geht gar nicht? Und natürlich immer wieder: wie kann ich gewünschtes Erleben erreichen.
Liebe Grüße zurück
Ingrid
Pingback:Find (d)ein Ding und zieh es durch! – geschafft
Liebe Ingrid, vielen Dank für Deine tollen, lehrreichen und auch umsetzbaren Beiträge. Ich wünsche Dir ein gesegnetes Fest und ein glückliches und erfolgreiches Jahr 2019 .
Herzlichst Angelika Ressler
Liebe Angelika, vielen lieben Dank.
Dir auch wunderbare Feiertage und ein wunderbares Jahr 2019.
Herzlichst Ingrid
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